Freitag, Juni 30, 2006

BUCKELMANN ersehnt ein: AY, CARAMBA!

"Ay, caramba!" ist ein zusammengesetzes Wortgeflecht, bestehend aus dem spanischen "ay!" für: "überraschend" und "caramba", der Steigerungsform von "carajo", einem Ausspruch des positiven Ekels. In Deutschland würde man in vergleichbaren Fällen wohl "Ach, du große Scheiße" sagen.

Wann aber sagt endlich jemand so etwas über Buckelmann? Jede Zeit hat ihren Helden, seit Jahren schon ist er auf der Suche nach dem einen, dem wahren Schuss, aus 30 Metern den Ball angeschnitten aufs rechte obere Eck. Erst sieht es aus, als würde er rechts am Tor vorbeigehen, dann, auf den letzten Metern, neigt sich die Flugbahn des Balles nach links, erst ein klein wenig, dann immer mehr. Der Ball berührt den rechten Pfosten leicht an dessen linken Seite, fast wie bei einem flüchtigen Kuss, und dann netzt er ein - der Torwart ist eh schon am Ball vorbeigeflogen.

Jahrelang hat er das auf der Rosenhöhe geübt, vor mehr als drei Jahrzehnten und alleine für sich: den perfekten Schuss. Für ihn hatte er sogar gelegentlich mal die Schule geschwänzt. Dass Buckelmann ihn drauf hatte, das spürte er, das hatte er im Urin. Es war stets nur die Frage, ob er es wirklich rauslassen sollte. Denn schließlichich wollte Buckelmann doch immer nur lernen, was man nicht lernen kann: Wie das so ist, für Deutschland zu siegen.

Mittwoch, Juni 28, 2006

BUCKELMANN UND DER STURZ DER SADDAM STATUE (Das Ende der Geschichte)

[Eine Fortsetzung aus: "BUCKELMANN VERKEHRT ZURÜCK"]

Am frühen Mittwoch-Abend war Buckelmann wieder aus dem Irak zurück gekehrt und in Deutschland angekommen. Lieutenant Pigeon hatte ihm vor den Rückflugnoch ein weiteres Geschenk mitgegeben. Es war ein T-Shirt mit dem Konterfei des irakischen Informationsministers, der in einer Comicsprechblase den Satz aussprach: "We have everything under Controll". Er solle es in Rammstein anziehen, hatte ihm Pigeon gesagt, und es half tatsächlich. Als sie es sahen übernahmen nette GIs wie von selbst das Tragen von Buckelmanns Handgepäck und legten Lt. Pigeons fünf große Reisetaschen vorsichtig in den Kofferraum einer Hummer-Limousine. Aber wahrscheinlich war auch dies nur die Kopie einer Hummer-Limousine, dachte Buckelmann.

Vier Stunden später und wieder zuhause zurück, sah Buckelmann dann seine Ex-Exil-Iraker wieder. Nicht leibhaftig sondern in der CNN-Nachtausgabe. Unzweifelhaft war es der dicke Hassan, der mit einem Vorschlaghammer die Marmorplatten am Sockel einer Saddam-Statue im Herzen von Bagdad kurz und klein hackte. Die anderen zogen und zerrten an Seilen die mächtige Statue und stürzten sie nach einiger Zeit mit tatkräftiger Hilfe amerikanischer Bergepanzer zu Boden. Moussa winkte Buckelmann sogar zu und Moha hielt jubelnd einen Tetrapack Milch hoch, kein Wunder nach den vielen Stunden ohne sein Lieblingsgetränk.

Den absoluten Coup landete aber der fromme Murat. Er setzte sich auf Saddams Hals, drücke ihm mit seinen Schenkeln die Luft ab und ritt mehr als eine Stunde auf dem Diktator durch Bagdad. Und CNN meldete pflichtbewusst: "Viele Iraker hatten sich auf dem Platz versammelt um Saddam zu stürzen. Ihre Begeisterung war echt und nicht inszeniert. Sie hatten jahrelang unter dem Regime des Diktators gelitten und unternahmen jetzt aus freien Stücken einen Akt der Selbstbefreiung, indem sie Saddams Standbild stürzten. Präsident Bush sagte der Presse, er sei erfreut gewesen über diese Bilder vom Sturz Saddams. Er danke allen, die geholfen hätten, damit dieser Moment Wirklichkeit werden konnte."

"Kein Problem Dabbeljuh" murmelte Buckelmann und fragte sich, wem er heute noch alles in die Fresse schlagen könnte ... außer sich selbst.

Nachtrag: Das Nationalmuseum von Bagdad war eines der schönsten und bedeutendsten im Vorderen Orient. Erst drei Jahre vor dem Sturz Saddams wurde es wieder eröffnet, nachdem die Schäden des letzten Golfkrieges beseitigt und die Kunstwerke nach ihrer, von den Vereinten Nationen und der Europäischen Gemeinschaft unterstützten, Restauration wieder in der Schausammlung aufgestellt worden waren. Dank eines Jahrhunderts internationaler archäologischer Grabungen waren die Depots und Schatzkammern des Museums übervoll: ein zum Teil noch ungehobenes Archiv der Menschheit.

Nach der Eroberung Bagdads durch die US Armee wurde es nahezu komplett geplündert. Bei den gestohlenen Tontafeln mit Keilschrifttexten handelt sich um die älteste Literatur, Geschichtsschreibung und Gesetzgebung der Menschheit. Die, von den US Soldaten billigend in Kauf genommene, Plünderung ist eine grobe Vernachlässigung völkerrechtlicher Verpflichtungen und damit ein Verstoß gegen die Genfer Konvention: Ein Kriegsverbrechen an der Kulturgeschichte der Erde. Im Zweistromland wurde die städtische Zivilisation geboren, dort wurde das Rad erfunden und die Schrift. Wie Menschen sich das Paradies vorstellen, wurde dort erstmals formuliert.

Welche neuen, bisher unbekannten Geschichten der Menschheit die noch nicht entzifferten Tontafeln erzählt hätten, ist jetzt für immer verloren. Neben den Straßen von Bagdad liegen viele dieser Tontafeln; sie fielen bei eiligen nächtlichen Transporten von Handkarren und Kleintransportern. Sie zerbrachen dabei und zerfallen nun langsam zu Staub.

BUCKELMANN UND DER STURZ DER SADDAM STATUE (Anfang der Geschichte)

[aus: "BUCKELMANN VERKEHRT ZURÜCK"]

Eines Dienstag Morgens, Buckelmann saß gerade vor seinem Lieblingsrestaurant 'Dr. Wok' und war dabei, Nudeln mit Hühnerfleisch zu frühstücken, setzten sich zwei Männer zu ihm an den Tisch und dazu gesellte sich wenig später ein weiterer Herr, der sich als Lieutenant Pigeon vom amerikanischer Militär vorstellte. Er sei in einer Zivilangelegenheit unterwegs, Codename 'Mouldy Old Dove', und fügte an, die beiden Männer neben ihm würden ihn zu seinem Schutz begleiten, denn man könne ja nie wissen. "Was kann ich für sie tun?" wollte Buckelmann sagen, aber aus seinem Mund war statt dessen ein eher ängstliches "Was habe ich getan?" zu hören.

Er, Buckelmann, hätte sehr viel getan, sagte Lt. Pigeon, hauptsächlich hätte er sich jahrelang mehr als rührend um eine Gruppe Exil-Iraker gekümmert. Um Hassan al Majid (Buckelmann allerdings besser als 'der dicke Hassan' bekannt), Moussa Moussadek, Ali Mohammad (den Buckelmann nur unter dessen Spitzname 'Moha' kannte, den dieser, wie Buckelmann dachte, wegen seines enormen Milchkonsums erhalten hatte), den frommen Murat, der offensichtlich Murat Yetkin hieß, und noch acht andere notleidende Flüchtlinge.

Das stimmte. Buckelmann hatte die Gruppe vor ein paar Jahren im Deutsch-Arabischen Zentrum kennen gelernt, als er einen Kurs belegte hatte um dort zu lernen, 'Eau de Vie' selbst zu brennen, das arabische Wasser des Lebens. Alkoholgenuss war den strenggläubigen Arabern zwar strengstens verboten, aber Wasser kann man in Wüstenregionen schließlich nie genug haben. Mit Hassan, Moussa, Moha und Murat freundete sich Buckelmann schnell an. Schlimme Dinge erzählten sie ihm über Saddam Husseins Regime, zum Beispiel, dass Murats Bruder in einem irakischen Gefängnis der Unterschenkel amputiert worden sei. Und der irakische Geheimdienst habe Murat später ein Foto des Bruders ohne Bein zugeschickt, zur Einschüchterung, wie er sagte. Buckelmann war anfangs skeptisch, aber schließlich kam er zu der Überzeugung, dass an der Sache etwas dran sein könnte - oder auch ab, je nach dem wie man das sah.

Im Grunde waren alle Vier aber treue Seelen und Buckelmann nahm sie auch schon mal mit zu sich nach Hause, dann wieder gingen alle gemeinsam ins Schwimmbad und einmal organisierte Buckelmann einen Grillabend, oben am Steinkreuz, mit einem Lagerfeuer und da waren sogar die acht anderen dabei und alle waren glücklich und feierten ihre Freiheit. Allerdings waren diese Momente eher selten, denn die meiste Zeit redeten Buckelmanns irakische Freunde darüber, dass sie wieder in den Irak zurück wollten. Am liebsten sofort, sagte Moha, aber das ginge nicht, so lange Saddam und dessen Söhne und Cousins die Macht hätten.

"Hören Sie mir überhaupt zu?" sagte Lt. Pigeon zu Buckelmann. "Ich sagte, die amerikanische Regierung möchte die zwölf Herren in den Irak zurückbringen. Und ich versichere Ihnen, dass niemand während des Fluges aus dem Flugzeug fallen wird. Wenn Sie wollen", fuhr Pigeon fort, "können Sie sogar mitfliegen, nach Bagdad." - Bagdad? Buckelmann war zwar im Gedanken schon einmal in Afghanistan gewesen, aber im Irak jedoch noch nie. Ob das nicht gefährlich sei, fragte er zurück. "Jungchen" sagte Pigeon "das ist doch der Spaß an der Angelegenheit. Wenn Sie schon einmal in einem Vergnügungspark gewesen sind, indem es im grunde todlangweilig war, dann lernen Sie ein bisschen todernste Abwechslung zu schätzen."

Einen Tag später saßen Buckelmann und seine Freunde in einem vollklimatisierten Bus der US-Army und wurden nach Rammstein gefahren. Dort stiegen alle in einen C17-Airlifter und schon sechs Stunden später waren sie auf dem Bagdad International Airport angekommen und betraten den Boden, auf dem einst die zivilisierte Menschheit geboren wurde. Lt. Pigeon nahm Buckelmann beiseite und sagte ihm mit bedeutungsvoller Stimme und auf die Ex-Exil-Iraker deutend: "Die wollen jetzt bestimmt erst einmal zu ihren Familien. Da würden wir nur stören." Murat kam auf Buckelmann zu, dankte ihm für alles, was er für ihn und seine Freunde getan habe, und sagte: "Jetzt sind wir frei und niemand manipuliert mehr unser Leben." Auch Buckelmann verabschiedete sich von seinen Freunden und rief ihnen nach, sie sollten sich mal wieder bei ihm melden. Sein Geleitschutz war jetzt nicht mehr notwendig, denn unter dem Schutz von US Soldaten fuhr man die Zwölf ins Herz von Bagdad.

Lt. Pigeon kam nochmals auf Buckelmann zu und fragte ihn, ob er gleich wieder zurückfliegen wolle oder wie lange er in Bagdad zu bleiben gedenke? Falls es für länger wäre, sagte Pigeon, dann könne man ja zuerst ein paar Minenfelder inspizieren gehen um dann ein Museum zu besuchen. Dann beugte er sich aber mit seinem Mund nahe an Buckelmanns Ohr und sprach mit leiser Stimme: "Wenn Sie allerdings gleich zurückfliegen wollen, dann könnten Sie für mich ein paar Tontafeln mitnehmen. Natürlich alles Kopien, wissen Sie. Das ist genauso, wie mit Saddams Doppelgängern; auch die sehen wirklich verdammt echt aus." Pigeon zwinkerte Buckelman zu. "Als Dank würde ich ihnen eine kleine Hammurabi-Stele schenken. Selbstverständlich auch eine Kopie ... Sie verstehen?" Pigeon lächelte. "Wissen Sie, viele wollen so schnell wie möglich wieder aus dem Irak raus: Minen, Cholera, Überfälle und Plünderungen. Die nächste C- 17 zurück nach Europa startet in ... äh ... lassen Sie mich kurz nachdenken ... genau fünfzehn Minuten." Lt. Pigeon schaute Buckelmann interessiert an. "Welchen Flug kann ich für Sie buchen? Den nächsten?" Buckelmann nickte.


[...diese Geschichte setzt sich fort...]

Dienstag, Juni 27, 2006

BUCKELMANN sagt: MAMMA MIA

Vom Italiener weiß man, dass er von Geburt an eine Lebensform ist, die auf fremde Hilfe setzt. Kaum geboren, saugt er sich an der Mutterbrust fest und ist oft auch noch Jahrzehnte später nicht in der Lage, ohne fremde Hilfe zu überleben. Die lebenslange enge Beziehung zur Mutter demonstrierte gestern der italienische Stürmer Francesco Totti, der nach dem Elfmetertor zum Spielende demonstrativ am Daumen nuckelte.

Hierzu befragt sagte er den staunenden Reportern, das sei normal bei italienischen Männern. Wohl wahr! Allerdings wechselt der Italiener, wenn er ungefähr 30 Jahre alt ist, die Köchin und Hüterin seiner Wäsche: er heiratet. Zu Essen und Kleidung kommen für ihn zwei weitere wichtige Dinge in sein Leben und zwar der Sport und das Autofahren. Für die Kinder, die langsam aber sicher auch in sein Leben kommen, ist freilich nicht er, sondern die neue Mama zuständig: die Geburt einer lebenslangen engen Beziehung zur Mutter.

Sport ist überhaupt das Lebenselixir des Italieners schlechthin. Er benötigt Stunden, um seinen Körper (und vor allem sein Haupthaar) auf sportliche Betätigungen, wie zum Beispiel Strandfußball, vorzubereiten. Dann stolziert er bis zu einer Stunde umher, um schließlich kaum zehn Minuten lang mitzuspielen. Weil er schnell erschöpft, genügt die leiseste Berührung eines Gegners, damit er melodramatisch zu Boden zu geht. Noch im Fallen sucht er die Blicke des Publikums, das ihn danach wieder aufbauen soll.

Insofern geschah im Spiel Australien gegen Italien nichts Ungewöhnliches. Die Italiener waren wieder einmal nicht in der Lage, ohne fremde Hilfe zu überleben. Deshalb fiel Fabio Grosso zehn Sekunden vor Ende der Nachspielzeit beim Stande von 0:0 im Strafraum erschöpft zu Boden, der Schiedsrichter ahndete dies mit Strafstoß, den Francesco Totti verwandelte. Angepfiffen wurde erst gar nicht mehr und deshalb lutschte Totti am Daumen. 'Wird wohl nix heute, mit Kangaroo-Pasta' dachte er sich und grinste die verstörten Australier an.

Mit ganz etwas anderem hatte dagegen die Schweiz zu kämpfen und zwar mit ihrem selbstdeklarierten Neutralitätseid. 1815 wurde die 'immer währende Neutralität der Schweiz' durch die europäischen Grossmächte am Wiener Kongress anerkannt. Zwei Weltkriege lang hielt sich die Schweiz daran und auch im 21. Jahrhundert, genauer gesagt am 26. Juni 2006, waren die Eidgenossen nicht beriet, davon abzulassen.

Nach torloser erster, wie zweiter Halbzeit, einer Nachspielzeit und Verlängerung ohne Tore, wollte kein Schweizer beim Elfmeterschießen den Ball ins gegnerische Netz schießen. Folglich sah der Schweizer Oberfußballer Sepp Blatter am Ende drei rote Kreuze auf dem Schweizer Nummernkonto, die Ukraine hatte gewonnen, die Schweiz trauerte...und sie tat dies, wie immer, höchst neutral.

Montag, Juni 26, 2006

BUCKELMANNS GEDANKEN ÜBER EINE SCHEIBMASCHINE

[aus: "BUCKELMANNS INNERE STÄRKE", dem dritten Band der BUCKELMANN Trilogie. Der Autor bemerkt dazu: »Was gesagt werden muss, muss gesagt werden - was getan werden muss, muss getan werden. Nur zu wissen, genügt Buckelmann nicht. Aufhören, auf seine Art zu leben, wird er erst, wenn andere aufhören ihn herabzuwürdigen.«]

Auch wenn er sich heutzutage anschickt, Texte mit Hilfe der Tastatur eines Computers zu schreiben, Geistesblitze sozusagen in elektrische Obhut zu geben, auf die vage Hoffnung hin, dass sie nicht in die ewigen Schaltkreise übergehen werden, so hört Buckelmann dennoch bei jedem einzelnen Drücken der Tasten in seinem Hinterkopf immer noch leise das Geräusch seiner alten Splendid 33 Schreibmaschine. Nicht dass er sie vermissen würde, aber vergessen, jawohl, vergessen kann Buckelmann sie nicht.

Momente völliger Muße und Zurückgezogenheit sind es, da bricht mit aller Macht eine verblasste Erinnerung in sein Leben ein. Dann begibt sich Buckelmann zu dem versteckten Ort, an dem er seine Schreibmaschine vor den Blicken Neugieriger verborgen hält. Er nimmt die hervor, öffnet langsam und sanft ihren Verschluss, ganz genau so, wie er es früher so oft und so gerne tat, klappt den Kunststoffdeckel auf, legt ihn beiseite, spannt ein Blatt Papier ein, richtet es aus ... und dann schreibt Buckelmann mit Herzenslust einen Text nach dem anderen. Es gibt hierbei keine größere Freude für ihn, als ein falsches Wort zu tippen, es zu verbessern, es durchzu-X-en und dann weiter dem Klang der klappernden Typen zu lauschen, die durch die Kraft der Finger seiner Hände wie von selbst auf das Farbband sausen und dadurch auf dem Papier, wie immer 120 g/holzfrei, ein kleines literarisches Fragment entstehen zu lassen.

Aber das alles ist für Buckelmann nichts gegen den Klang der Olympia-Glocke. In diesen Momenten wird ihm klar ... nein: in diesen Momenten weiß er, dass jedem fühlenden Menschen durch den täglichen Fortschritt immer größere Verluste beigebracht werden. Natürlich hat auch das Neue seinen Reiz, im Speziellen wie im Allgemeinen - wer wüsste das besser als Buckelmann selbst, der bekennende ElektronikJunkie -, jedoch sind es die alten Dinge, die ihn wirklich bewegen.

Das Segeln auf hölzernen Schiffen gehört hierzu, deren Geräusch knarrender Planken und Balken verschallte, auch das Geklapper bei Kutschfahrten, das Rasseln ihrer Ketten, das Mahlen und Rollen der Räder und das Schnaufen der Pferde ist fast spurlos verschwunden. Ebenso das sich-im-Freien-bewegen, das sich-hinlegen-und-den-Himmel-betrachten, das vollständige Zubereiten einer Mahlzeit inklusive sämtlicher Zutaten ... all das ist in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr wichtig. Wie der Wohlklang einer Schreibmaschine.

So etwas kann nur der vergessen, der ihn niemals kannte, denkt Buckelmann. Und für einen kurzen Moment sieht es fast so aus, als ob er bei diesem Gedanken lächeln würde.

Sonntag, Juni 25, 2006

BUCKELMANN WIRD GEF....

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

Herz-Seifen, Herz-Duftkissen, Herz-Teelichte, Herz-Kuchen, Herz-Bilderrahmen, Herz-Schlag. Für diese Invasion an Herzen gab es nur eine plausible Erklärung: Es war wieder Valentinstag! Buckelmann war sich sicher, dass die Herz-Kommission ganze Arbeit geleistet hatte. Was vor einigen Jahren noch jenseits des Atlantiks ein nahezu unbeachtetes Asyl führte, überschwemmte jetzt alljährlich die Kaufhäuser, Geschenk- und Kartenshops. In den Medien waren das allerdings 'uralte Bräuche', die nur wiederbelebt wurden. Der Valentinstag soll ja irgendwas mit den Mayas zu tun haben, dachte sich Buckelmann. Die schnitten damals ihren Opfern das Herz aus dem Leib und hielten es, immer noch zuckend, in die Höhe. So eine Frau kannte Buckelmann auch. Sie hatte ihm das Herz erst gebrochen, dann aus dem Leib gerissen und mitgenommen. Lange hatte es gedauert, bis er so etwas wie ein Herz in seinem Körper wiederfinden konnte. Und das war mit Sicherheit kein Einzelfall.


Kennen gelernt hatte Buckelmann sie am Samstagmorgen eines 14. Februars, ohne zu ermessen, was dieser Tag für ein Tag war oder dass viele Menschen glauben, dass ihnen der erste Mensch, der ihnen am Morgen des 14. Februar zuerst über den Weg läuft, das Herz stehlen wird. Buckelmann hatte gerade die Haustür hinter sich geschlossen um zum Einkaufen zu gehen, da stieß er mit ihr zusammen. "Hallo Fremder" sagte sie zu ihm. "Mein Name ist Anna. Einfach: Anna. Und wer bist du?" Buckelmann war einigermaßen überrascht, sagte dann aber artig seinen Namen und fügte sogar Sternzeichen und Aszendenten hinzu. Fünf Minuten später saßen sie im Obergeschoss des Literatencafes.

Anna war so ziemlich das hübscheste Geschöpf, das Buckelmann jemals gesehen hatte. Dieser Mund, dieser Blick, dieses Haar. Buckelmann war klar, dass sie um Klassen zu 'gut' war für einen wir ihn. In Annas Gegenwart wäre sogar Marlene kleinlaut geworden. So eine Frau wie Anna würde sich unter normalen Umständen mit einem wie Buckelmann niemals befassen. Reine Zeitverschwendung; ganz klar. Das aber warf die Frage auf, warum sie jetzt, hier, in diesem Moment bei ihm saß. "Trockene Luft hier" hauchte sie Buckelmann ins Ohr und er bestellte sofort ein Glas Champagner für sie. "Schöner Anfang", hauchte ihm Anna zurück.

Mehrere Flaschen Champagner später fuhren sie mit einem Taxi zu einem naheliegenden Hotel; Charly bezahlte bar und in im Voraus. Anna und er suchten erst gar keine Ausreden und schon Minuten später wälzten sie ihre Leiber ineinander verschlungen auf dem Hotelbett. Kein Zweifel: Anna war eine Frau. Einen kurzen Moment lang im Bett, als Anna ihren Tanga auszog, hatte Buckelmann gezweifelt, aber dann waren die Dinge sauber rasiert geklärt. Einmal nur wanderten seine Gedanken weg von Annas ebenen Haut, ihrem Maiglöckchen-Teint, ihren Oberschenkelmuskeln. 'Basic Instinct' kam ihm in den Sinn und er versuchte unter dem Bett einen Eispicker zu ertasten - zum Glück vergebens.

Eine halbe Minute später hatte ihn Anna wieder ganz unter Kontrolle und Buckelmann war alles weitere egal. Anna war eine Göttin und wenn er ums Leben kommen sollte, dann nur durch ihre Schenkel. Doch Buckelmann kam nicht ums Leben; ganz im Gegenteil. "Mein Gott..." sagte Anna zu ihm "...damit könnte man ja ganze Volksstämme gründen." Dann drückte sie ihn fest an ihre Brust und Buckelmann schlief friedlich ein.

Als er wach wurde, war Anna verschwunden. Gemeinsam mit Buckelmanns Geldbörse und der EC-Kate nebst Geheimzahl. Aber Buckelmann war sich nicht sicher, ob es möglich sein konnte, dass seine Anna eine Betrügerin war oder ob Agenten sie mitsamt seinem Geld entführt hatten. Buckelmann entschied sich dann für die Variante, dass Anna, fals sie ein wenig Geld von seinem Konto abgehoben hätte, diese wahrscheinlich dringend für die anstehende Krebsoperation ihrer Mutter gebraucht hätte. Und dass diese Göttin gerade mein Geld genommen hat, triumphierte Buckelmann, ist eine Auszeichnung für mich.

Buckelmann checkte aus, am Empfang lag jedoch noch eine Rechnung des Literatencafes, da es wegen des gestrigen abrupten Abschieds noch einige leere Champagnerflaschen zu bezahlen gab. Außerdem wartete vor dem Residenz-Hotel noch immer ein Taxifahrer auf ihn und der vertraute Buckelmann an, dass er Anna heute morgen zum Flughafen gefahren hatte und ihn Anna gebeten hatte, wieder zurück zu faheren und dann auf ihn zu warten. Buckelmann fuhr mit ihm zu seinem Freund Thomas, lieh sich von diesem Geld, und zahlte auch die Taxi-Rechnung und gab dem Fahrer noch ein kleines Trinkgeld dazu, worauf dieser zu Buckelmann anerkennend sagte "Klasse Frau, die!".

Als Buckelmann dann von dem freundlichen Taxifahrer kostenlos zu seiner Wohnung zurckgefahren wurde, hörte er im Autoradio Heinz Rudolf Kunze singen "Zeit, Zeit, Zeit. Liebe ist Zärtlichkeit." - Was hatte er schon für eine Ahnung, dachte Buckelmann und versuchte, sich noch einmal an Annas Schenkel zu erinnern.

BUCKELMANN kommentiert: MIDSOMMARDAG

Es ist 'midsommardag', der Tag nach dem schwedischen Mittsommerabend (dem zweitgrößten schwedischen Fest nach Weihnachten und damit größer als Ostern) - aber was macht das schon, denn "Deutschland ist im WM-Rausch. Jubeln! Feiern! Autokorsos! Heute ist Samstag – und das Achtelfinale gegen Schweden wird zum Straßenfeger! Die ganze Nation ist SCHWARZ-ROT-GEIL!" ... genau: so etwas kann nur die BILD-Zeitung titeln. Inklusive, dass heute Samstag ist.

"Die ganze Nation?" schreibt BILD weiter - "Nein! 40.000 schwedische Fans fallen heute zum Achtelfinale in München ein" (Nur noch einmal zur Erinnerung: 'Die Welt zu Gast bei Freunden') Und BILD weiß auch, was die deutschen Fans sagen: "Die Schweden können ruhig auf dem Platz verlieren, aber ihre Mädels sollen sie bitte, bitte da lassen!"

Siehst Du alter Swede: so lustig könne Deutse sein! Pass blos auf, dass sie Dir nicht die Hütte vollhauen. Obwohl ... besser wärs vielleist schon, wenn Du nicht willst, dass sie Dir anders verhauen in die Nacht nach die Midsommardag. "Freundsaft!!!"

Freitag, Juni 23, 2006

BUCKELMANN LISTET AUF, WAS VON DER LIEBE ÜBRIGBLEIBT

Als da wären:

- ein Cashmere Schal, bordeaux, 80 cm lang

- ein Bund künstlicher Sonnenblumen, mit einem Blatt eingefasst und einer Bastschleife zusammengehalten

- ein Herz aus Glas, ca. 18 cm hoch

- eine Geburtstagskarte mit inzwischen wertlosen Liebesbekenntnissen

- mehrere getrocknete Orangenscheiben

- eine schwarze Filz-Winterjacke mit wunderbarem, weinroten Innenfutter

- ein Kalender 2003 mit Bildern von Vincent van Gogh

- ein kleines schwarzes Steinherz vom Strand bei Skagen

- eine dunkelblaue Tasse aus Bürgeler Porzellan

- ein Schuldschein über 5.000 Euro, demnächst zu verhandeln bei Gericht

- ein Passfoto des einstigen Alter Egos

- eine Sammlung gemeinsamer Fotos aus Heidelberg, Weimar, Bad Dürkheim, Dresden und dem Felsenmeer

- eine Sammlung von Briefen, die, unter anderen Voraussetzungen, viel mehr sein könnten, als nur Altpapier

- eine Sammlung von Erinnerungen, die kopfschüttelnd erlebt werden

- eine Trennung ohne Anstand

- das Ende eines Traums

BUCKELMANNS ASIATISCHER ABEND (Das Ende der Geschichte)

[Eine Fortsetzung aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

Nach dieser frohen Kunde begann Buckelmann seine Hauptspeise zu essen. Das heißt eher: Buckelmann begann sein Essen zu zelebrieren. Als erstes modellierte er auf seinem Teller aus Reis den südöstlichen Teil des 'Tjen Shan'-Gebirges, wobei allein der Gipfel des 'Chan Tengri' schon die überraschten Blicke einer weiblichen Bedienung erregte. Fast glaubte Buckelmann, dass sie keine Mandelaugen hätte, so sehr riss die Dame ihre Augen auf. Um das Gebirge herum legte Buckelmann sodann den 'Inyltschek'-Gletscher an, den er aus Morcheln und Chinakohl wohl gestaltete. Die Kokosmilch diente ihm sodann als Gebirgsbach und gehackte Frühlingszwiebeln waren die ideale Vegetation. Als Buckelmann auch noch aus Glasnudeln, die er über dem zuvor zur Erwärmung der Speisen dargereichten Stövchen im Siebziger-Jahre-Design mit Reisschnaps kurz derart flambierte, als habe er es jahrelang in den Garküchen von Jinan erlernt, und so Gipfelnebel über sein Essen zauberte, durchflutete ehrfürchtiges Schweigen den Jade-Pavillion. Herr Xu wies die anderen Gästen mit kurzen Silben an, dass sie nun leider nach Hause gehen müssten und dankte für den Besuch des asiatischen Abends.

Als das Lokal sich geleert hatte, waren dort nur noch Buckelmann, Herr Xu, dessen Sohn Han, die drei weiteren Bedienungen und das Küchenpersonal. Die einzige weibliche Bedienerin trat zu Buckelmann und fragte ihn "Was möchten trinken?". Buckelmann bewunderte die Fähigkeit der Asiaten, den Gast nach seinen Wünschen zu fragen, bei einfachsten Bestellungen dann zwar Schwierigkeiten mit den Grundnahrungsmitteln zu haben, dem Gast schließlich aber trotzdem die Nummer 471 mit der als Änderungswunsch bestellten 'Hoi-Sin'-Sauce wohltemperiert zu servieren.

Buckelmann aß seine Mahlzeit - selbstverständlich mit Stäbchen und ohne zu fragen, aus was man si ehergestellt hatte - unter den Augen aller Anwesenden. Als er geendet hatte, natürlich nicht ohne einen angemessenen Rest auf dem Teller zu belassen (Chinesen sind nämlich beleidigt, wenn man alles isst, zeigt man doch so dem Gastgeber, dass er von Allem zu wenig serviert hatte), sagte Herr Xu zu ihm: "Mein Herr, Sie sind ein großer Meister des Chinesischen Essens. Es war uns eine Ehre, dass Sie uns dies heute gezeigt." Buckelmann nickte sanft und fühlte sich tatsächlich geehrt.

"Ihr Essen geht selbstverständlich auf das Haus" sprach Herr Xu und fügte an, ob Buckelmann sonst noch einen Wunsch habe. "Vielleicht Zikadenspieße, Käfer kross, Skorpion mit süß-saurer Sauce ... oder kann ich Ihnen eine Dame bringen?" Buckelmann schaute erstaunt in Herrn Xus freudestrahlende Augen. Mit einer Frau als Nachspeise hatte er heute Abend nicht unbedingt gerechnet und so fragte er nach, was dieses Angebot zu bedeuten habe. "Nun", fuhr Herr Xu fort "ich könnte Sie mit Fräulain Ling-Liu bekannt machen. Das ist die Dame, die Sie bedient hat. Sie sagte mir vorhin, dass Sie gerne einmal einen großen Meister der asiatischen Esskultur kennen lernen möchte." In diesem Moment wusste Buckelmann, dass er Herrn Xu, Ling-Liu und nicht zuletzt sich selbst diesen Wunsch nicht würde ablehnen konnte.

An diesem Abend wurde Ling-Liu seine Nachspeise und behielt diese Rolle bis zum heutigen Tag bei, wann immer Buckelmann im Jade-Tempel chinesisch Essen geht. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Ling-Liu selbst nicht gerade eine Meisterin der asiatischen Esskultur ist. Sie führt ihr Schälchen mit Essen flink an den Mund und schiebt dann das Essen mit Hilfe der Stäbchen wie ein Schaufelbagger in sich hinein. Zum Schlucken nimmt sie sich dabei kaum Zeit. Kein Wunder, denkt Buckelmann, dass Fast-Food-Ketten bei Chinesen so beliebt sind. Andererseits geht nichts über das chinesische Essen, das Ling-Liu ihrem Buckelmann kocht. Wohl auch wegen der Nebenwirkungen, die erst Stunden später auftreten: Der Mund verwandelt sich dank Glutamat langsam in eine Wüste. Noch beim Einschlafen fühlt sich Buckelmann wie ein Verdurstender, obwohl er da schon literweise Wasser getrunken hat. Aber Ling-Lius Liebe zu ihm, das weiss Buckelmann inzwischen, heilt am Ende alle seine Wunden. Selbst wenn sie dafür ihr letztes Hemd hergibt.

Dienstag, Juni 20, 2006

BUCKELMANNS ASIATISCHER ABEND (Anfang der Geschichte)

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

'Asiatischer Abend' versprach die Einladung, die Buckelmann unverhofft in seinem Briefkasten fand, und zu diesem Zweck bat man ihn, den Jade-Pavillion von 'Dr. Wok' aufzusuchen, "... das vollklimatisierte Restaurant ganz in ihrer Nähe ..." wie es auf der Einladung stand. Und 'Dr. Wok' fügte an: "Ein guter Koch ist auch en guter Arzt!"

Zumindest war dies einmal keine Einladung des Formates, wie sie ihm sein Kollege Werner stets schmackhaft zu machen versuchte, obwohl diese für beide regelmäßig in einem mittleren Fiasko endeten. So wie letzten Samstag, als Buckelmann zu einer After-Show-Party in die 'Gloria Bar' eingeladen worden war. Es wurde zwar grundsätzlich ein netter Abend, aber als sich im zweiten Showteil Bratislavas fidelste Großmutter anschickte, auf der Bühne drei gut gebauten Sudanesen die Abschiebehaft zu versüßen - und dies trotz erkennbarer Inkontinenz - war für Buckelmann ein Punkt erreicht, um ohne seinen Kollegen die 'Gloria Bar' zu verlassen; diese After-Show-Party hatte er sich dann doch etwas weniger tiefgründig vorgestellt.

Buckelmann kannte den Jade-Pavillion von 'Dr. Wok' bereits von vorherigen Besuchen und der Betreiber, Herr Xu, hatte sich diesmal offensichtlich große Mühe gegeben, seinen asiatischen Abend zu einem vollen Erfolg werden zu lassen. Neben Kantonesischen Feuerreitern hatte er eine Gamelan-Gruppe aus Bali und zwei Sportler von der Malakkahalbinsel eingeladen, die den Gästen die Kunst des 'Muay Thai' vermitteln sollten. Zu Anfang traten deshalb erst einmal die Künstler gemeinsam auf. Zum Klang der Gambangs, Gendér und Metallplatten sowie der unvermeidlichen Gongs und Cymbals führten die Boxer ihre einzelnen Übungen vor und die Feuerreiter sorgten für die passende Illumination. Danach wurden den Gästen die Karten gereicht und zwar zur Feier des Tages ohne Übersetzung.

Buckelmanns Chinesischkenntnisse erwiesen sich hierbei schnell als leicht limitiert, insbesondere die der einzelnen Schriftzeichen. Auch sein kleines Zeichenlexikon half nicht wirklich weiter, galt es doch, erst die teilweise mehr als zwanzig Striche eines Schriftzeichens und schließlich den Namen eines Gerichts zu entziffern. War Nummer 168 nun 'Lao Hu Dou', frei übersetzt in etwa 'Zwischen Drache und Tiger', oder 'Yi Shang Shu', 'Der Pfad zur goldenen Mitte'. Buckelmann konnte und wollte sich nicht vorstellen, welche Mahlzeit er bei Nummer 168 wohl serviert bekommen würde. Wer abseits der europäisch gestalteten Speisekarte asiatischer Restaurants chinesisch speisen wolle, Herr Xu hatte in seiner Einleitung eindringlich darauf hingewiesen, dass in China kaum ein Mensch Entenfleisch essen würde, müsse sich darauf einlassen, dass er wahrlich exotisch essen könne, so Herr Xu. "Wichtig ist: Es schmeckt."

In China, das hatte Buckelmann bereits vorab geahnt, muss man beim Essen stets mit dem Außergewöhnlichsten rechnen, denn in der Chinesischen Küche gilt grundsätzlich alles Lebendige als essbar - von Gerichten wie 'Tausendjährigen Eiern' ganz zu schweigen. Der Grund dafür war ebenso einfach wie einleuchtend: Dass Chinesen neben Hunden und Quallen, Schildkröten, Lurch, Seesterne oder sonstiges Getier essen, liegt darin begründet, dass sie mit nur fünf Prozent der bebaubaren Welt-Ackerfläche rund zwanzig Prozent der Weltbevölkerung satt kriegen müssen. In einer BBC Reportage hatte Buckelmann neulich sogar erfahren, dass man im Norden Chinas wieder konservativ essen würde, da man dort schon seit Jahren auf Affe und Adler verzichten würde.

Dabei war es weniger Tierliebe, die Buckelmann weiter zögern lies, zu bestellen, sondern eher die Tatsache, dass Auge und Ohr schließlich ja auch mit essen – sauwohl, als auch. Immer wieder warf er deshalb verstohlene Blicke an den Nachbartisch, an dem ein asiatischer Vater und seine etwa neunjährige Tochter nach "gegrillten Seepferdchen am Spieß" mit einem Bambushalm das Mark einer mittelgroßen Raupe austranken. Da half nicht einmal wegschauen - das schmatzende Sauggeräusch schwang ihm den Rest des Abends in den Ohren.

Buckelmann entschloss sich nach der dritten höflichen Nachfrage von Herrn Han, dem jüngsten Sohn des Restaurantchefs, für die Nummer 49 'Pai Guang Hua', was er mit 'Seeschlange frittiert' übersetzt bekam. Immerhin schienen ihn weniger ausgefallene Namen zumindest ungefähr erahnen lassen, was serviert werden würde. Und tatsächlich stellten sich die 'Pai Guang Hua' als schmal gesschnittene Gurkenstücke, kalt und mit Knoblauchsoße serviert, heraus und, was Buckelmann durchaus betrübte, als eine Vorspeise.

Also wagte sich Buckelmann dann doch noch an die Nummer 168 und Herr Han sagte ihm, als er es Buckelmann servierte, dass dies weder 'Zwischen Drache und Tiger' noch 'Der Pfad zur goldenen Mitte' sei, sondern 'Lao Hu Dou' meine 'Termiten erklettern einen Baum'. Na bitte, dachte sich Buckelmann, Insekten sollen ja durchaus über einen hohen Proteingehalt verfügen. Nach dem Öfnen der Essenhaube über dem Teller wurde Buckelmanns Phantasie allerdings enttäuscht, denn es wurden ihm lecker gebratenes Gemüse mit kleingehacktem Fleisch und Morcheln gereicht.

Vielleicht sollten die kleinen Fleischfetzen die Termiten symbolisieren? Wer weiss, dachte Buckelmann. Mit frischem Ingwer und Frühlingszwiebeln gekocht, schien das Ganze jedoch ein Gaumenschmaus. Buckelmann winkte noch einmal Herrn Han zu sich und fragte ihn, was denn nun 'Zwischen Drachen und Tiger' gewesen wäre. Herr Han teilte ihm darauf unterwürfigst mit, dass dies traditionell eine Suppe mit Schlangen- und Katzenfleisch wäre, die in Deutschland "natürlich" nicht serviert werden dürfe und hier mit Hasen- und Schneckenfleisch hergestellt werde. Ebenso seien die am Nachbartisch servierten Seepferdchen und Seidenraupen "natürlich" keine echten Seepferdchen und Seidenraupen gewesen.


[...diese Geschichte setzt sich fort...]

BUCKELMANN WEBBT WORLDWEIT

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

"ПОСЛЕ НАС ХОТЬ ТРАВА НЕ РАСТИ" / "Nach uns mag kein Gras mehr wachsen."
[Russisches Sprichwort]


Keine Frage, Spams sind lästig. E-Mails noch und noch und noch schlimmer war das, was im Sommer 2001 geschah. Auch keine Frage: Es muss einfach irgend jemanden geben, der eine gewisse lose Schuld daran hatte...und das kam so:

Buckelmann hatte eine neue Internetdomain entdeckt: www.homepageteller.nl. Was auf dem Homepageteller so alles angerichtet werden konnte, das weckte zudem seine latent natürliche Neugier. Nicht unbedingt die durchaus falsch zu verstehende Aufforderung "lecker download hem nu" machte ihn zwar hungrig auf Neues, aber die Möglichkeit mit der 'WayBackMachine' von www.archive.org in die Vergangen-heit zu reisen toppte die Verlockung um Längen. Zuerst sah sich Buckelmann die Uralt-Seiten www.whitehouse.gov um, deren Ursprünge im www.archive.org beim 27. Dezember 1996 lagen.

Buckelmann gab "public enemy" ein und erhielt 38 Antworten. Eine gefiel ihm besonders: "Ich bin im Laden" (mailadress: obl @ torawabora.com). Spontan entschied sich Buckelmann zu antworten. Dazu musste aber eine unauffällige E-Mail-Adresse her. Unauffällig und nichtssagend, obwohl trotzdem überzeugend. Kilian entschied sich dafür, eine Mailadresse beim größten Bürokomplex der USA zu bestellen, dem World Trade Center.

Die Adresse zu bekommen war dabei einfach genug. Die Seiten des WTC in der 'WayBackMachine' reichten bis zum 6. Dezember 1998 zurück. "You can instantly obtain a memorable e-mail address@ worldtradecenter.com for only US$4 month ... regardless of which Internet provider you use." Na denn dachte sich Kilian und klickte auf die Taste 'Here's how!'. Und es ging schneller als schnell. "It's fast and easy to get a worldtradecenter.com e-mail alias, but first you have to pay US$48." Buckelmann zahlte via Mastercard und durfte nur Minuten später seine E-Mailadresse selbst wählen. Er wählte ganz unbescheiden cia @ worldtradecenter.com - eine Stunde später kam die Registrierungsbestätigung bei ihm an.

Den Text für seine erste CIA-Mail hatte Buckelmann schon im Kopf. "I think I spider, you are really im Laden", schrieb er an obl @ torawabora.com. Die Antwort, die ihn am nächsten Tag erreichte war eindeutig und unmissverständlich: "Get out of this line." Das lies sich Buckelmann allerdings nicht so einfach verbieten und so schieb er eine weitere Mail an die bekannte Adresse. "You are heavy in trouble, because we are heavy on wire." Elf Worte, die die Welt verändern sollten, denn obl @ torawabora.com antwortete mit nur einem Satz: "Adjust the START and END dates to limit yoa life to a specific timeframe." - Kilian bekam es mit der Angst zu tun. "Nein" schrieb er zurück und brach den Kontakt sofort ab.

Noch Wochen später rätselte man in Afghanistan über die Bedeutung der elf Worte und des Schlußwortes "Nein". Das "Nein" war ein Schreibfehler gewesen zu sein; offensichtlich hatte der CIA "nine" schreiben wollen. Sheik Omar wollte die Zahl 99 herauslesen, umgedreht 66, also eine Teufelszahl. OBL aber entschied anders. "Sie haben uns Datum und Ort genannt: Nine Eleven", sagte er und so geschah es.

Buckelmann hatte derweil Spaß an einem russischen Spamprogramm gefunden unter dem Namen 'Putins Pudding'. Ein Schneeballsystem sorgte in der Folge dafür, dass Spuren im www langsam aber sicher verwischt werden konnten und dies war genau das Programm, das Buckelmann nun brauchte. Es gelang ihm sogar die Zahlung für die E-Mailadresse wieder zurückzubuchen, weshalb seine Mailadresse daraufhin sofort gelöscht wurde. Übrigens genau in dem Moment, als sich OBL dazu entschieden hatte, den Ungläubigen auf der anderen Seite des Erdballs noch eine letzte Chance zu geben. "This is yoa last chance. I stop the destruction, if yoa excuse yoaself immediately." schrieb er an den cia @ worldtradecenter.com.

Erschöpft aber doch glücklich legte sich Buckelmann zu Bett ... nicht ahnend, dass sich Millionen und Abermillionen von E-Mailbriefkästen langsam aber sicher mit Kopien seiner letzten Post an OBL zu füllen begannen. Der Kreml war zudem absolut schockiert, weil ein unbekannter Absender unter dem Namen 'Putins Pudding' "ВСЯКОМУ ТЕРПЕНИЮ БЫВАЕТ" an OBL geschrieben hatte: "Jede Geduld hat ein Ende". Diese Botschaft machte nun ihren Weg rund um die Erde, während Buckelmann schlief. - Vier Monate später erklärte Osama Bin Laden den USA den Krieg, weil er in seinem Netzpostfach obl @ torawabora.com außer Putins CIA-Nachricht nur noch eine weitere Mail vorgefunden hatte; es war eine Nachricht vom Maier-Daemon gewesen: "CIA successfully removed from the distribution list.". Das reichte OBL als Antwort.

Während CIA, NATO, der Warschauer Pakt, OECD, die OPEC und der Kreml immer noch damit beschäftigt waren, ihre eigenen Postfächer zu säubern flogen Anfang September 2001 zwei Flugzeuge nacheinander den Hudson entlang. Kurz zuvor hatten die Betreiber des WTC Buckelmann als Urheber der Spamwelle des WTC ausfindig gemacht und wollten noch am später Vormittag Rechtsanwälte damit betrauen, ihn für den angerichteten Imageschaden verantwortlich zu machen. "Der Kerl ist erledigt", verkündete der Sicherheitschef des WTC in dessen 88. Stock seinen Mitarbeitern. "Rufen Sie die CIA an." In diesem Moment war Buckelmann, ohne es zu ahnen, tatsächlich erledigt. Einen weiteren Moment später, aber sah die Welt völlig anders aus.

BUCKELMANNS BLUES

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

Bud und Joe waren Blueshändler. Buckelmann traf sie ein einziges Mal in seinem Leben und das war im Alter von sechzehn Jahren. Bud sah Joe fragend an. "Sechzehn ist der Kerl und will schon den Blues?" Joe nickte und meinte dann: "Erzählen kann der uns viel. Schicken wir ihn erst einmal zu Jamima. Wenn die sagt, er kriegt den Blues, dann kriegt er den Blues." Beide nickten einander zu und wippten weiter mit ihren Schaukelstühlen auf der Veranda auf und ab. "Ach so" sagte Bud, schob den Hut aus seinem Gesicht, sah Buckelmann in die Augen und deutete in Richtung des Stalles, der sich links neben dem alten Holzhaus befand. "Da geht’s lang!"


In einem Verschlag neben dem Stall befanden sich Hühnerboxen. Eine von ihnen war rosa angemalt und über ihr stand mit ungelenken Buchstaben das Wort 'Jamima' geschrieben. Wie um alles in der Hölle soll mir ein Huhn weiterhelfen, dachte Buckelmann, soll Bud und Joe sagen "Jawoll, gebt ihm den Blues?" Gerade, als Buckelmann dies dachte, räusperte Jamima sich, stand auf und auf einer kleinen Holzpritsche kam langsam ein Ei heruntergekullert. Er fing es auf und brachte es zu Bud und Joe.

"Hat er das nicht gut gemacht?" fragte Bud und Joe sagte "Ich finde, er hat es sogar sehr gut gemacht. Besser als der Kerl, der letztes Jahr hier war und seinen Sohn Mark nennen will: Mark Bohlen." Beide lachten herzhaft und schlugen sich auf die Schenkel. Joe spuckte ein Stück Kautabak aus und sah sich das Ei genauer an. "Hat ‘ne Menge Flecken." sagte er und gab es weiter an Bud. Der schüttelte es, wiegte es in der Hand und meinte dann: "Hat aber auch ein gutes Gewicht." Wieder nickten beiden einander zu. Dann schaute Bud Buckelmann an. "OK!" sagte er, "Jamima hat gesprochen. Du kriegst den Blues. Die Flecken sagen: Mit 40 ist er da." Und Joe fügte an: "Genieße noch die zwei Dutzend Jahre ohne Blues. Wenn Du ihn erst einmal hast, mein Freund, dann lässt er Dich nicht mehr los."

Beide standen von ihren Schaukelstühlen auf und Bud sagte zu Buckelmann "Und jetzt lauf, Junge, lauf. Onkel Joe lässt gleich die Bluthunde los." Ohne zu zögern drehte sich Buckelmann um und fing an zu rennen. Und während er rannte, hörte Buckelmann, wie die Tür des Hauses geöffnet wurde, hörte das Hecheln der Hunde und vernahm aus der Entfernung zum letzten Mal Buds rauchige Stimme. "Hunde die beißen, bellen nicht." brüllte er ihm hinterher und Buckelmann wusste, dass das ernstgemeint war.

Buckelmann weiß bis heute nicht, wie er es damals unversehrt aus dem Delta geschafft hatte. Aber an die letzten Wochen, bevor er 40 Jahre alt wurde, konnte sich Buckelmann noch genau erinnern. Auch daran, dass es noch ein paar Tage länger dauerte. Aber es hatte dann doch geklappt: Drei Tage nach seinem 40. Geburtstag bekam Buckelmann den Blues.

"Danke Joe, danke Bud, danke Jamima für den Blues" waren Buckelmanns Worte, denn was waren schon drei Tage Verspätung, wo der Blues doch ein ganzes Leben lang bei ihm bleiben will?

Samstag, Juni 17, 2006

BUCKELMANN KANN DURCHAUS POETISCH SEIN

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN"]

Als er noch jung war, das war zu Anfang der 1970er-Jahre, entdeckte Buckelmann seine künstlerische Ader. Ausgelöst wurde dies durch eine Mundharmonika, die er sich über Monate von seinem wöchentlichen Taschengeld in Höhe von 75 Pfennigen zusammengespart und schließlich bei Musik-Renz am Wilhelmsplatz angeschafft hatte, und einem Kurzurlaub mit seinen Eltern und seiner Schwester am Kahler See. Dort packte Buckelmann die Poesie in einer derart überwältigenden Weise, dass er in einem Oktavheft, das er schon damals stes mit sich führte um gute Ideen festzuhalten, seinen ersten eigenen Song festhielt: 'When The Man With The Monkey Comes To Town'. Der Text handelte von einem Mann mit einem Affen, der in die Stadt kam, keine bestimmte Stadt sondern irgendeine irgendwo. Auf den Text kam es Buckelmann damals gar nicht so sehr an, was auch sein zweiter eigener Text bewies, eine freie Übersetzung von Roy Blacks 'Schön ist es auf der Welt zu sein', dessen Refrain Buckelmann wortgetreu mit 'Pretty Is It On The World To Be' übersetzte.


Die Musik war es, die ihn überwältigte. Mundharmonikamusik, um ganz genau zu sein, eigene, selbsterdachte, poetische Mundharmonikamusik. Durch sie konnte er bei den drei alten und halb ins Seewasser gewachsenen Pinien am gegenüberliegenden Ufer seinen Gefühlen so richtig ihren freien Lauf lassen. Nachdem er auf seiner Luftmatratze den See überquert hatte, saß er dort ganz allein und gequält und jammernd klang das, was seine Mundharmonika damals über die stillen Wasser des Kahler Sees von sich gab. Es war noch viel klagender als es irgendein Blues je hätte sein können.

Für Buckelmann war das, was er da machte, Poesie. Viel wusste er über die Poesie nicht, hatte wohl schon einmal ein Poesiealbum angesehen (Gabi Füller hatte ihm vor Jahren ihres mit einem scheuen Blick gegeben, weil er für sie etwas Poesie hineinschreiben sollte) und aus dem Kunstunterricht war Buckelmann das Bild vom stillen Poeten bekannt, aber was Poesie wirklich war, dass war ihm nicht vollkommen bewusst.

Irgend etwas hatte es mit Literatur zu tun. Hatte nicht Herr Reichert, sein Deutschlehrer, einmal etwas davon erzählt, dass sich im Deutschen die Poesie immer mehr dem Kitsch annähern würde, während in England der Oberbegriff 'Poetry' alle Formen der Dichtkunst abdeckt. Buckelmann war sich aber nicht sicher, ob sein Lehrer hier richtig lag. Schon einmal war der in Buckelmanns Gegenwart sprachlos geworden und zwar als er die alte Weisheit von Gottfried Benn zitierte, wonach sich in der deutschen Sprache nichts auf das Wort Mensch reimt, um dann zu versprechen, wer bis Ende des Halbjahres ein Wort fände, das sich auf 'Mensch' reimt, der würde von sämtlichen Hausaufgaben befreit werden.

"Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch, nicht mal die Leute von der Shilow-Ranch", sagte Buckelmann. Herr Reichert stand mit offenen Mund vor der Klasse und noch bevor er seine Fassung wiedergefunden hatte legte Buckelmann mit dem legendären Satz Peter Rühmkorfs nach: "Die schönsten Verse des Menschen, sind die Gottfried Bennschen".

"Man kann sich eben keinen Reim auf den Menschen machen, jedenfalls nicht in Deutschland" schrieb Buckelmann in sein Oktavheft, nahm seine Mundharmonika und blies erneut klagene Töne über den See. Wie schon gesagt: Buckelmann kann durchaus poetisch sein - seit 1972.

Donnerstag, Juni 15, 2006

BUCKELMANN und: DIE JUGENDFEIER

[aus: "BUCKELMANN, IMMER WIEDER BUCKELMANN", dem Band 2 der BUCKELMANN Trilogie. Dem Autor ging es dabei um Folgendes: »Wenn eines Tages die wichtigten Erhaltenswerte in Stein gemeißelt sind, dann ist einer wie Buckelmann mit dabei. Auch wenn es bei ihm kein farbiges Relief wird, eher eine Litanei auf der Rückseite, wird man feststellen, dass seine Erlebnisse viel Gutes bewirkt haben. Und: Nein! Buckelmann ist nicht das abstruse Klischee! Buckelmann ist Buckelmann. Immer wieder.«]

Deutschland härteste Soft-Rockband Steve Mütterchen und die Libellen waren bei weitem noch nicht so berühmt und bekannt wie heute, als sie vor einigen Jahren für ein Konzert im Haus des hessischen Ministerpräsidenten engagiert wurden. Der war überhaupt nur mit den Stimmen von Überläufern des politischen Gegeners an die Macht gewählt worden und nicht nur wegen seiner konzernfreundlichen Umweltpolitik bei der Bevölkerung verhasst. Aber der Ministerpräsident war nicht nur ein Politiker sondern auch ein Vater, dessen ältester Sohn gerade volljährig geworden war und der als besonderes Geschenk seines Erzeugers von diesem eine flotte Party finanziert erhalten sollte, eine Party im Fetenraum der Familienvilla am Nordwestrand Frankfurts. Die Staatskanzlei wandte sich an das örtliche Jugendamt und dort überlegte man hin und her, wie man dem Wunsch des Landesfürsten am besten nachkommen konnte und entschied sich am Ende dafür, den Auftrag, die Musikgruppe zu engagieren, an einen wahren Profi des Metiers zu geben, zudem noch an einen, aus den eigenen Reihen.

So betrat Buckelmann wenige Tage später im Capitol in Hannover, wo Steve Mütterchen und seine Band gerade gastierten, die Garderobe der Libellen, an seiner Seite ein schüchterner jungen Mann, der sich als Sohn des Ministerpräsidenten zu erkennen gab. Er wolle die Band für ein Konzert engagieren, sagte Buckelmann, ein Privatkonzert in der Villa des hessischen Ministerpräsidenten. Sofort erkannte Steve Mütterchen, welche Gelegenheit sich ihm hier bot. Er stieß Buckelmann den Ellbogen keineswegs unfreundlich in die Seite und sagte: "Alter, das kriegen wir gebacken", zwinkerte dem Sohn des MPs zu und fügte ein "Hunde, die Libellen beißen nicht" an. - Keine zwei Wochen später war es so weit. Im Rahmen ihrer "Fresse sonst Beule Tour" spielten die Libellen umsonst im Hause ihres neuen Fans. Lediglich eine Schlafgelegenheit, Essen und vor allem zu trinken hatten Steve Mütterchen als Gage ausgehandelt. Buckelmann saß vorne im Truck, als man auf das, von etlichen SEK-Männern in Zivil abgesicherte, Anwesen des Ministerpräsidenten fuhr. Nachdem sie das Wachhäuschen passiert hatten, wurden alle von der Landesmutter persönlich vor der Villa begrüßt und anschließend in den Fetenraum geführt, in dem der Ministerpräsident vor kurzem noch den Dalai Lama empfangen hatte.

Erstaunt nahm die Landesmutter zur Kenntnis, dass Festus, der Ober-Roadie der Libellen, das umfangreiche kalte Büfett fast allein verspeiste, um plötzlich aufzustöhnen "War das alles?"; irritiert verlies die Dame des Hauses den Raum. Damit es nicht zu einem Nahrungsdrama, sondern zu einer stimmungsvollen Party kam, rief Buckelmann. "Es kann losgehen" und was soll man sagen: Es ging los. Mit ihrem eingängigen Liedgut "Willst du mich ficken, musst du nur nicken" und Brandflecken von auf den teuren Parkettboden ausgetretenen, Zigarettenkippen sorgten die Musiker für ein erstes Highlight des Abends. Bier schäumte durch den Raum und Festus pinkelte, unbehelligt von den überall versteckt postierten SEK-Männern, in die Farrokh Bulsara Palme des Minsiterpräsidenten, die diesem vor einem Jahr vom Präsidenten Sansibars überreicht worden war.

Als Buckelmann dann Schlagzeuger Wahni bat, etwas das Tempo zurück zu nehmen und nicht immer die Schlagzeugstöcke in Richtung der SEK-Männer zu werfen, rastete dieser aus und nahm einen Wandteller aus Meissener Porzellan - des Ministerpräsidenten Geschenk an seine Gattin zur Silberhochzeit - und lies diesen wie eine Frisbee-Scheibe durch den Raum fliegen, worauf die Gattin des Ministerpräsidenten zurückkehrte, weil sie "Geräusche" gehört hatte. Kopfschüttelnd besah sie sich das Chaos. Nun dämmerte Buckelmann, dass hier Gefahr in Verzug war, woraufhin er der Band großzügig eintausend Mark anbot, wenn sie in einem Hotel und nicht in der Villa nächtigten, in Betten "in die" schob Buckelmann kumpelhaft nach "auch schon der Bundespräsident nebst Gattin" gepupst hätten. Steve Mütterchen hatte sich zu dem Zeitpunkt allerdings schon längst mit dem jüngsten Spross des Ministerpräsidenten angefreundet, der den elterlichen Weinkeller geplündert hatte, so dass den Musikern das Aufstehen am nächsten Morgen ohnehin nicht gerade leicht fallen würde. Man entschloss sich zu bleiben und bis auf ein abgerissenes Waschbecken und ein völlig vollgekotztes Gästeklo hielten sich die Schäden im Rahmen.

Plötzlich öffnete sich die Tür und der Ministerpräsident stieß zur Party. Noch geschwächt von einer anstrengenden Afrika-Reise und einem achtstündigen Rückflug wollte er trotzdem sehen, wie die Fete für seinen Sohn voranging. Feuerrot sei sein Kopf geworden, wurde später berichtet, die Augen weit aufgerissen und mit geschwollener Lippe soll er ein "Jetzt ist Schluss, jetzt reicht’s, alle raus hier!" gebrüllt haben. Buckelmann, der ihm Bericht erstatten wollte, wurde vom Landesvater aller Hessen wütend zur Seite geschubst, weil die Band nun ihr berühmtes Deutschlandlied anstimmte: "Aus diesem Material baut die Bundesrepublik, aus diesem Material baut die Bundesrepublik ...". Unverrichteter Dinge und schwer angeschlagen trat der MP den Rückzug an, so dass Steve Mütterchen und die Libellen am Ende doch noch zu ihrem Frühstück kamen.

Buckelmann allerdings machte sich schwere Vorwürfe wegen seiner Musikauswahl, vor allem aber wegen seiner beruflichen Zukunft als Jugendsozialarbeiter bei der Stadtverwaltung. Aber er konnte beruhigt sein. Staatskanzleichef Barthold würde ihn in Kürze anrufen und um Diskretion bitten. Das Ganze sei niemals geschehen, würde er Buckelmann eindringlich sagen, "anderslautende Berichte dieser Musiker werden Sie dementieren". Und so kam es, dass Buckelmann dem hessischen Ministerpräsidenten dessen schärfste Niederlage seiner politischen Karriere beigefügt hatte und trotzdem unbehelligt davon kam. Bis heute. Und das obwohl hin und wieder bei CDU-Präsidiumssitzungen in Berlin Parteikollegen leise ein "Aus diesem Material baut die Bundesrepublik" flüstern, wenn der hessische Ministerpräsident ans Rednerpult geht um eine schärfere Vorgehensweise beim Umgang mit der rebellierenden Jugend zu fordern.

Fast scheint es Buckelmann, als dass die Geister, die man gerufen hat, einem durchaus treue Dienste leisten konnten. So wird es sein, dachte Buckelmann und sein Leben hatte wieder seine Legitimation.


[...diese Geschichte setzt sich fort...]

Mittwoch, Juni 14, 2006

BUCKELMANN kommentiert: DEUTSCHLAND GEGEN POLEN

Deutschland und Polen: nicht zum ersten Mal in der Weltgeschichte und wohl auch nicht zum letzten, standen sich die beiden Nationen gegenüber um zu kämpfen. Es dauerte lange, aber dann hatte die Mannschaft Deutschlands die der Polen besiegt und im Stadion, in den Wohnzimmern und Kneipen Dortmunds und sonstwo, bei den abendlichen Fantreffs überall in der Bundesrepublik, lagen sich nicht-schwule Männer in den Armen und küßten sich hemmungslos ab. Deutschland im kollektiven Siegestaumel, die Bundesfahne weht wacker voran.

Der Grund dafür war die erstaunliche Erkenntnis, dass sich die neue deutsche Lockerheit zuvor nicht auf die Viererabwehrkette ausgedehnt hatte, dass die Deutsche Mannschaft fast ein ganzes Spiel lang auf hohem Tempo agierte, ihren östlichen Nachbarn, den Problem-Polen, mit Torschüssen nur so eindeckte und ihm damit letztendlich die weitere WM vermasselte.

Allein kam im jeweils letzten Moment immer etwas dazwischen und deshalb stand es bis zur Nachspielzeit torlos unentschieden. Doch selbst wenn das Spiel hier geendet hätte, die schwarz-rot-goldigen Fußballfans wären, wie Günter Netzer im TV-Studio der ARD, voll auf zufrieden gewesen. Um jedoch kollektivem Siegestaumel auszulösen, braucht es einen Sieg. Und der gelang ja dann auch noch zum richtigen Zeitpunkt an diesem schwülen Abend, um ein '9,0' auf dem nach oben offenen Klinsimeter zu erzeugen.

Dann kam der Regen und kühlte alles wieder ab ... alles, bis auf die Freude über einen Sieg, der für viele Deutsche fast schon so war, wie der im Endspiel der Fußball-WM. Was aber noch wichtiger ist: Die Mannschaft hat spätestens an diesem Abend gespürt, dass ein Land hinter ihr steht. Die Menschen tuen dies mit Herz, in guten, wie in schlechten Zeiten - Rot, Gold, Schwarz: das ist der Deutschen Dreifarbigkeit im Fußballsommer 2006.

BUCKELMANNS SCHWÄCHE

[Schade ... aber dieser Text wurde vom Autor leider noch nicht freigegeben !]

Schauen sie gelegentlich hier im Blog nach - vielleicht steht der Text dann ja schon im Netz !

BUCKELMANN erklärt: DREI FARBEN

Krzysztof Kieślowski hat Mitte der 90er Jahre im Kino auch den Nicht-Franzosen erklärt, was es mit den drei Farben der Nationalflagge Frankreichs auf sich hat: Blau steht für Freiheit, Weiß für Gleichheit und Rot für Brüderlichkeit. Kieślowski brauchte hierfür insgesamt 290 Minuten; die erste Fußballmannschaft der Franzosen hatte 200 Minuten weniger zur Verfügung, um die französischen Tugenden gegenüber ihrem Nachbarland Schweiz zu beweisen, aber es reichte aus. Die Zeit reichte für die Zuschauer sogar aus, um zu erkennen, dass die Franzosen willig und bereit waren, einige der Schweizer Tugenden anzunehmen: Neutralität, Bedachtsamkeit und die Löcher im Käse. Letztere waren schon bald sowohl im Spielfluss als auch im Abwehrverhalten von Frankreichs Nationalmannschaft erkennbar.

Der französische Nationaltrainer mit Namen Raymond Domenech - ausgesprochen [ʁɛmɔ̃ dɔmɛnɛk] -, gerade hatte er wieder ein exklusives Meeting mit einer eingebetteten Journalistin hinter sich gebracht, agierte so, wie es die 'Grande Nation' von ihm erwartet hatte: nämlich gar nicht, das aber dafür richtig entspannt.

Und Fabijen Bartez - das ist, und hieran gibt es nun nicht den geringsten Zweifel, der Oliver Kahn der Franzosen - testete seine Reflexe bei den durchaus erfolgversprechenden Angriffsversuchen der Schweizer Garde und sicherte dem selbsternannten Aspirant auf den WM-Sieg 2006 das verdiente Unentschieden.


Dem entgingen ganz knapp "Togo-Otto"s Mannen ("Travail, Liberté, Patrie"/"Arbeit, Freiheit, Vaterland") und die Süd-Koreaner ("Der Anfang ist die Hälfte des Weges") sowie die Seleção Brasiliens ("óptimo") gegen bärenstarke Kroaten ("Bolje ikad nego nikad"/"Besser irgendwann als nie").

Buckelmann fällt es schwer zu bekennen, aber: im Vergleich des bisherigen Auftretens aller anderen Mannschaften, hat ihm die Mannschaft Deutschlands gar nicht so schlecht gefallen. Das ist kein versteckter Patriotismus sondern eine absolut nüchterne Einschätzung.

Montag, Juni 12, 2006

BUCKELMANNS VERWANDLUNG (Das Ende der Geschichte)

[Eine Fortsetzung aus: "BUCKELMANNS INNERE STÄRKE"]

An Buckelmanns zweitem Tag als Wurm kamen ein paar Kinder mit ihrem Lehrer, Herrn Stevens, den Buckelmann schon seit 1983 kannte. Sie fragten ihn: "Hallo Wurm, geht es dir gut?" aber Buckelmann antwortete nicht. Herr Stevens sagte, "Ihr müsst das verstehen, Würmer haben keine Augen, Würmer sind taub und stumm". Die Kinder nickten. Ein Junge erzählte, dass sein Vater gerne fischen geht und oft Regenwürmer an den Haken der Angelleine binden würde. Die Kinder kicherten und Herr Stevens fragte rethorisch, welchen Fisch man wohl mit einem derart großen Regenwurm fangen könne. Aber schon bald wurde den Kindern langweilig und Herr Stevens und die Kinder verabschiedeten sich von Buckelmann und gingen zurück in die Stadt. Das war im Grunde überhaupt kein Problem für Buckelmanns Mission, denn niemand würde den Kindern glauben, wenn sie erzählen würden, draußen am alten Milchhof hätten sie heute einen zwei Meter langen Regenwurm gesehen. Als die Kinder nicht mehr zu hören waren hatte Buckelmann Hunger, robbte aus dem Matschloch zu seinem Zelt und aß Blatt für Blatt einen ganzen Salatkopf.

An seine zweite Nacht als Wurm konnte sich Buckelmann nicht mehr vollständig erinnern. Er wusste noch, dass er versucht hatte, verschiedenen Tierstimmen zu lauschen und sie auseinander zu halten. Das nächste, an das er sich erinnern konnte, war, dass er sich am schlammigen Wasser verschluckt hatte, wahrscheinlich, als er mit offenem Mund erschöpft eingeschlafen war. Eine Ewigkeit lang hustete er, bis er wieder richtig Luft bekam. Dann robbte er zu seinem Zelt, öffnete mit den Zähnen eine Wasserflasche und trank etwas Wasser. Am dritten Tag aß Buckelmann nur noch einen halben Salatkopf und auch sonst war es ein trostloser Tag für ihn. Es regnete ohne Unterbrechung und niemand kam zu ihm um sich für ihn oder sein Projekt zu interessieren. Die dritte Nacht schief er erneut nicht ein, um nicht wieder fast zu ertrinken. In dieser Nacht kam ein streunender Hund zu seinem Loch, knurrte ihn an, stellte dann aber fest, dass von Buckelmann keinerlei Gefahr ausging und durchstöberte daraufhin das Zelt und verschwand mit zwei Salatköpfen wieder im Wald.

Am vierten Tag schien die Sonne und mit der Sonne stieg Buckelmanns Wurm-Euphorie. Er grub kleine Tunnel, ganz so, wie Würmer es tun, und gleich ihnen wühlte er sich durch die Erde. Heute war Buckelmann zum Reden zumute, aber wieder einmal kam niemand zu ihm um ihn zu besuchen und als es dunkel wurde fror er stark. Wahrscheinlich war dies das Ergebnis der Sonnenstrahlung am Tage, dass er nun die kalte Nacht um so stärker spürte. Am nächsten Tag - welcher war es noch gleich? Buckelmann verließ langsam das Gespür für Raum und Zeit- kam ein Kamerateam von HTV Cymru Wales. Der Reporter beugte sich über das Loch und zeigte den Zuschauern der Nachmittagsendung Livebilder von Buckelmann, der gerade an einem Blatt des letzten, halben, verbliebenen Salatkopf aus dem Supermarkt knabberte und fror. "Excuse me" sagte der Reproter zu ihm "Erlauben Sie die Frage ..." und der Kameramann zeigte Buckelmann in Weitwinkel-Großaufnahme, "... was soll das Ganze?" - Buckelmann antwortete nicht, er war es leid. Dabei war doch alles so einfach: Buckelmann wollte erleben, wie es sich anfühlt, eins zu sein mit der Erde, auf der wir leben und in die wir kommen, wenn wir tot sind. Er wollte den Unterschied erfahren zwischen Menschsein und Tiersein an dem Punkt, wo beide sich einander annähern. Dieses Ziel aber, dämmerte Buckelmann als seit beinahe einer Woche zum Wurm gewordener Mensch, war den 'normalen' Menschen offensichtlich zu hoch.

Noch als das TV-Team lange wieder verschwunden war, knabberte Buckelmann noch an seinem Salatrest herum und versuchte sich am Formen von Erdklumpen, so, wie Würmer es wahrscheinlich tun, fror aber erneut und entschied sich deshalb dazu, die Nacht trocken und warm im Zelt zu verbringen. In dieser Nacht wickelte er sich komplett aus der Frischhaltefolie, ging in den Ort in ein Pub und trank dort ein Bier. Wieder zurück wickelte er sich erneut in die Folie, schlief durch bis Sonnenaufgang, lies sich erst von der Sonne aufwärmen und sich dann wieder in das Matschloch gleiten.

Am Beginn des neunten Tag war dann alles vorbei und Buckelmann wickelte sich, als die Reporterin der Lokalzeitung erschien, erleichtert aus der Frischhaltefolie. Auf die Frage, was er nun gelernt habe als Wurm, sagte Buckelmann zu ihr, dass es falsch gewesen sei, als Kind heißes Wasser auf Nacktschnecken zu streuen oder Würmer in der Mitte durchzuschneiden, auf dass beide Teile davon kriechen. Das könne er sich heute nicht verzeihen, aber als unschuldiges Kind, ganz im Sinne William Blakes, habe er sich damals dabei nichts gedacht.

Jetzt aber wisse er, sagte Buckelmann zu ihr, dass Würmer aufgrund der Macht ihrer Machtlosigkeit nützlichere Diener der Natur seien, als der Mensch. Dies sei das Privileg der Wirbellosen, sagte Buckelmann, packte sein Zeit unter den Arm und ging von dannen.

BUCKELMANNS VERWANDLUNG (Anfang der Geschichte)

[aus: "BUCKELMANNS INNERE STÄRKE"]

Buckelmanns Verwandlung zu einem gegliederten Wurm aus der Klasse Oligochaeta begann Anfang September 2004 an einer Kasse des TESCO-Supermarktes in Haverfordwest, einem Ort der Grafschaft Pembrokeshire im mittleren Westen von Wales. Dort kaufte er sich vier frische, grüne, gut gewaschene Salatköpfe, mehrere Rollen Frischhaltefolie und eine Tube Gleitcreme. Buckelmann war, wenngleich kein Homosexueller, im Umgang mit Gleitcreme durchaus geübt; sexuelle Motive waren es aber letztlich nicht, die ihn dazu brachten, an diesem Morgen bei TESCOs eine Tube Gleitcreme zu kaufen. Ihm ging es vor allem um Regenwürmer und deren Leben: Buckelmann wollte Selbststudien im Freien betreiben, jene Theorien überprüfen, in denen es um soziale Konponenten sexueller Orientierung geht und er fand, dazu eigne sich der Regenwurm recht gut, ein Hermaphrodit, der Mann und Frau zugleich als ein Zwitterwesen existiert. Und er gab auch zu, dass es ihm, obwohl er weder Sadist noch Masochist sei, um Ausgrenzung ging, darum Qualen am eigenen Körper zu erleben und darum, wie es ist, ein Opfer zu sein. Ein menschliches Opfer, zudem in einer fremden Welt, weit weg von seiner Wohnung in Deutschland.

Am Abend fuhr Buckelmann mit stoppelkurz rasiertem Kopf von Haverfordwest aus nach Nordosten, zum stillgelegten Milchhof am Ortsausgang von Brawdy und begutachtete seine neue Wirkungsstätte. Ein Matschloch hatte er sich für seine Metamorphose ausgewählt, knapp einen Meter tief. Am Boden des Lochs hatte sich Wasser gesammelt, mit der dunkelroten Erde mischte es sich zu einer unansehnlichen Brühe und drum herum wuchsen Gräser und Kräuter. Am nächsten Morgen sollte es losgehen.

Buckelmann, der familiäre walische Wurzeln und Kontakte hatte (sein Onkel war nach dem Zweiten Weltkrieg aus englischer Gefangenschaft nach Wales entlassen worden, hatte dort seine Frau kennengelernt, geheiratet und sich in der Nähe von Haverfordwest angesiedelt) hatte seine künstlerisch interessierten Freunde und Bekannten aus Pembrokshire zu einem Kunstfest geladen, Diskretion selbstverständlich eingeschlossen, denn er wollte ja nicht schon nach fünf Minuten von der Polizei aus dem Matschloch entfernt werden. Neben das Matschloch stellte er nun ein Zelt, kochte Tee auf einem Gaskocher und schaute zum Himmel. Keine Sterne waren zu sehen, fast konnte man sagen, dass das Wetter so war, wie es Regenwürmer lieben: regnerisch und nicht zu warm.

Am nächsten Morgen zog Buckelmann zum Schutz der Gäste seines Kunstfestes eine Absperrleine um das Matschloch, denn schließlich sollte nur einer hineinfallen: er selbst. Gegen 11 Uhr war es dann so weit. Buckelmann setzte sich eine Schwimmbrille auf, zog sich bis auf seine modische Unterhose aus und wickelte so lange Frischhaltefolie um seinen Körper, bis Arme und Beine kaum noch zu bewegen waren. Dann drückte er mit den Zähnen die Tube Gleitcreme aus und lies die durchsichtige Paste zwischen Folie und Haut über seiner Brust laufen, wälzte sich anschließend hin und her um die Creme am Körper zu verteilen. Nachdem seine äußerliche Verwandlung vollzogen war, robbte er schweigend ins Loch. Neun Tage lang wollte Buckelmann nun ein gemeiner Regenwurm sein, ein Lumbricus Terrestris aus der Klasse Oligochaeta, braunviolett und von einer Schleimschicht umhüllt.

Wenig später saßen auch seine wenigen erschienenen Künstlerfreunde und Bekannten schweigend um das Loch herum; sie kannten das schon von früher, als Buckelmann bereits Schlange und Affenmensch gewesen war. Als es dunkel wurde gingen Buckelmanns Freunde schweigend und überliesen ihn der Nacht. Buckelmann hörte in dieser Nacht viele Geräusche und konnte nicht schlafen. Ihm war klamm und kalt und trotz der Frischhaltefolie war es ihm, als ob die Feuchtigkeit schleichend in seinen Körper eindrang.


[...diese Geschichte setzt sich fort...]

Samstag, Juni 10, 2006

BUCKELMANNS ZEITMESSER

[aus: "BUCKELMANNS INNERE STÄRKE"]

Es regnet leicht, als Buckelmann ohne Schirm aus seinem Haus tritt und zur Arbeit läuft. Buckelmann läuft in letzter Zeit öfters zur Arbeit, da sein Auto ihn verlassen hatte und das Fahrrad immer noch darauf wartete, dass Buckelmann ihm eine neue Kette schenkte. Keinen Schirm mitzunehmen ist kein Beinbruch, denkt Buckelmann, während er Richtung Bahnunterführung geht, schließlich haben schon die Höhlenmenschen keinen Schirm gehabt und trotzdem ist aus ihnen die ganze Menschheit hervorgegangen. Als Buckelmann die Bahnunterführung erreicht, regnet es schon heftiger. Man kann das daran erkennen, dass unter ihr einige Menschen das Ende des Regenschauers abwarten, darunter auch Studenten mit Fahrrädern, die gewöhnlich zu den härtesten zählen. Wartet ruhig, denkt sich Buckelmann, dieser Regen wird so schnell nicht enden. Bis der aufhört, bin ich schon lange auf Arbeit und er schaut auf seine Armbanduhr.


Buckelmann stutzt - seine Uhr ist verschwunden. Gerade noch auf der Ablage neben dem Waschbecken und jetzt schon nicht an seinem Arm. An Stelle der Uhr ziert ein blasser Streifen die ansonsten leicht gebräunte Haut. Buckelmann wäre aber nicht Buckelmann, wenn das ein wirkliches Problem für ihn wäre. Er stoppt kurz unter einer Linde, damit es nicht zu sehr regnet, wenn er seine Aktentasche öffnet, kramt aus dem vordersten Fach die Armbanduhr mit dem braunen Armband heraus, die er schon seit Wochen zum Uhrmachen bringen wollte, damit der eine neue Batterie einsetzt, und zieht sie an. Nun ist es auf Buckelmans Uhr viertel vor 11, aber kein Grund zur Panik, denn in der wirklichen Welt hat Buckelmann noch genügend Zeit um pünktlich ins Büro im Rathaus zu kommen. Feucht zwar, aber pünktlich.

Auf der Arbeit angekommen geht er gleich ins Vorzimmer zu Frau Böhm und meldet sich an. Gestern hatte ihn um 8 Uhr morgens eine schwere Zahnbehandlung ereilt und er war krank geschrieben worden. Das war ganz vernünftig gewesen, denn als gegen zehn Uhr die Wirkung der Spritzen nachzulassen begann, kamen die Schmerzen und Buckelmann konnte sie nur mit Hilfe von IBU Profan 600 Tabletten bekämpfen, die er seinerzeit seiner krebskranken Mutter ausgeredet hatte, weil die für diese aus Sicht Buckelmanns unnötig waren angesichts des Medikamentencocktails, den seine Mutter ohnehin schlucken musste. Ritterlich hatte sich Buckelmann angeboten, die Tabletten zu entsorgen, was er u.a. gestern auch getan hatte.

Mit einem geseufzten "Blödes Wetter" begrüßt ihn Frau Böhm. "Tja", sagt Buckelmann, auf dessen Hemd und Hose langsam die Regenflecken trocknen. "Was soll man machen. Es ist Sommer, es regnet, es ist kalt und noch ziemlich dunkel, obwohl es schon ..." Buckelmann schaut auf seine Uhr "... ziehmlich spät dafür ist, immer noch so dunkel zu sein." Frau Böhm sagt "Ja, ja" und noch mal "Blödes Wetter" und "Schön, dass es Ihnen wieder gut geht." Buckelmann bedankt sich artig bei ihr, geht zu seinem Büro und überlegt dabei intensiv, unter Angabe welchen Grundes er heute vormittag dringend zum Uhrmacher gehen muss, oder "Richtung Stadthof", wie er es nennen wird.

Dass er muss, das hatte ihm die Situation eben zweifelsfrei bewiesen. Ohne Uhr, denkt Buckelmann, ist man nur ein halber Mensch. Und mit Halbheiten hält sich einer wie er nicht auf.

Donnerstag, Juni 08, 2006

BUCKELMANNS FAHRZEUG

[Schade ... aber dieser Text wurde vom Autor leider noch nicht freigegeben !]

Schauen sie gelegentlich hier im Blog nach - vielleicht steht der Text dann ja schon im Netz !